Mikrofon

„Rache ist eine Vorspeise, die kalt genossen wird“, mit seiner humorvollen Art erzählt Kai Diekmann, Ex-Chefredakteur der Deutschen Bild-Zeitung, von seinem Interview mit Donald Trump, der Gefahr von Monopolriesen wie Facebook und dem größten Paradigmenwechsel der Mediennutzung. Beim Europäischen Mediengipfel in Lech am 30.11.2018 wurde Ex-Boulevardzeitung Bild Chefredakteur Kai Diekmann zum Gespräch mit FALTER-Chefredakteur Florian Klenk eingeladen. In einem 60-Minütigen Podcast besprechen die beiden den großen Paradigmenwechsel unserer Medienwelt: Unser Top Podcast Tipp des Monats!

Zur Vorbereitung eines Interviews mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten verweist Diekmann erstmals auf die Schwierigkeit einer Terminvereinbarung. Mit einer simplen SMS direkt auf sein Handy wurde er dann aber doch nach mehrfachen Versuchen zum Trump Tower gebeten. Selbstverständlich nimmt der Ex-Chefredakteur den Informanten– und Quellenschutz sehr ernst und lässt uns nicht daran teilhaben, wie er dann doch auf einmal mit einer SMS zu einem Gespräch mit Mister President eingeladen wurde. Dennoch ist es interessant zu sehen, wie diese Art von Gesprächen abgewickelt wird. Obwohl Interview-Fragen, sowie die Abstimmung dieser, normalerweise über mehrere Tische gehen müssen, wurde Diekmann weder nach den Fragen gebeten noch wurden diese vorab abgestimmt – lediglich der Secret Service hatte sich mit Diekmann in Verbindung gesetzt.

In Trumps außergewöhnlich überschaubarem Büro im 26. Stock des Trump Towers angekommen, erzählt Diekmann von einem chaotischen Schreibtisch voller Dokumente, Baseballschlägern in jeder Ecke und Wände voller Bilder. Obwohl man davon ausgehen würde, dass der Medienmanager nun einem überreiztem Trump gegenübertreten wird (Interview fand 48h nach CNN Reporter Skandal in 2016 statt), tritt Trump charmant, „aufgeräumt“ und sehr entspannt auf. Trotz Themen die für Trump eventuell unangenehm werden könnten, verhält sich der Präsident, laut Diekmann, ruhig und authentisch und lässt das Interview sogar eine halbe Stunde überziehen. Die Denkstrukturen von Donald Trump sprechen für sich: Er ist ein Geschäftsmann. Laut Diekmann spricht aber genau das für den Präsidenten, der seiner Meinung nach viel von internationaler Politik versteht und eben nicht wie ein normaler Politiker denkt. Raffiniert fragt Klenk nach einer Erklärung für Trumps öffentlichem Bespotten von Staatsfeinden gegenüber manchen Journalisten, da er offensichtlich einem kleinen „Trump-Fan“ gegenübersitzt. Diekmann erläutert die Wichtigkeit der Inszenierung für Trump, die die politische Medienwelt neu aufgestellt hat. Heutzutage muss sich keiner mehr auf klassische Medien verlassen, um seine Zielgruppe zu erreichen. Von Gatekeeper zur Druckerei, diese Infrastruktur ist veraltet und wurde durch Soziale Medien ausgetauscht. Das Massenpublikum und das Nischenpublikum kann Trump mit seinen 54.000.000 Followern auf Twitter heute ganz alleine erreichen (die BILD Zeitung hat ungefähr 34.000.000 Kontakte, online und offline vereint). Wofür braucht Trump denn dann noch CNN und Vox? Er befeuert seine direkte Kommunikation mit seinen Followern durch seine eigenen Kanäle. Sehr raffiniert, laut Diekmann.

Die öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Trump und Reportern erklärt Diekmann mit beidseitigem Nutzen, sowohl für Trump als auch für die Zeitungen. Politische Kommunikation hat sich dementsprechend komplett verändert: wenn man sich anschaut, wie häufig amerikanische Zeitungen Screenshots von Trumps Twitter Posts veröffentlichen, wird einem bewusst, dass wir in einer neuen Medienwelt leben. Aber wie vorteilhaft ist dies für unsere Demokratie? Hat das alles noch etwas mit einer aufgeklärten Öffentlichkeit zu tun?

Auf der anderen Seite kann man sich fragen, wie viel hat sich wirklich verändert? Schon damals wurde Themen eine gewisse Gewichtung gegeben und eine überschaubare Gruppe an Menschen hat entschieden, worüber gesprochen wurde. Einziger Unterschied hier: die Kontrolle. Weil wir im Endeffekt alle globale Journalisten sind, indem wir unsere Facebook-Feeds bespielen und so an die Öffentlichkeit gelangen, gibt es hierbei keine Kontrolle mehr. Dennoch unterscheidet Diekmann zwischen dem Handwerk eines Journalisten und einem Facebook-Posting und unterstreicht die Wichtigkeit der Publikation.

Sekundenschnelle Recherchearbeit in der heutigen Medienwelt empfindet Diekmann als großartig und sagt auch hier erst einmal, dass wir uns diesen neuen Herausforderungen stellen müssen; diese scheinen eh nicht rückgängig machen zu sein . Selbstinszenierung muss lediglich vom unabhängigen Journalismus überprüft werden, um Vollständigkeit zu bewahren und zu garantieren! Leider gibt es durch die Digitalisierung dennoch einen viel größeren Nachteil: Klassische Geschäftsmodelle können den Journalismus heute nicht mehr finanzieren, insbesondere Print Medien, weshalb Monopolriesen wie Facebook und Google überhand annehmen und die Medienwelt beherrschen. Hierzu ganz klar das große Thema Datenschutz. Diekmann macht hier klar, dass der Staat einschreiten muss und sicherstellen sollte, dass wir alle „mit den gleichen Regeln mitspielen“. Aber auch hier schaut Diekmann optimistisch in die Zukunft und weist darauf hin, dass wir lediglich faire Regelungen finden müssen.

Daten, Daten, Daten, …dieser Herausforderung wird darüber hinaus auch von den beiden Redakteuren diskutiert. Hier verweist Diekmann auf individuelle Datenkenntnis, die von den Monopolriesen beherrscht wird und den Medienkonsum verändert hat. Ist dies schlechter oder besser?

Besonders in Österreich leisten sich Boulevard Zeitungen und soziale Medien seit neuestem ein sogenanntes Ping-Pong Spiel, welches es zulässt, dass „Fake-News“ unkontrollierbar veröffentlicht und verteilt werden. In Bezug auf Rechtspopulismus scheinen hier die User deutlich kreativer zu sein und auch Diekmann unterstreicht die Notwendigkeit zu verstehen, dass manche Gruppen heutzutage nur noch durch Soziale Medien erreichbar sind. Diesen Paradigmenwechsel muss man begreifen, um heutzutage richtig zu kommunizieren.

Doch was genau ist das gefährlichste an Monopolriesen wie Facebook? Eine Kombination aus Technologie und psychologischen Schwächen, wie Diekmann so schön sagt. Likes und Belohnung macht uns Menschen abhängig von sozialen Medien, welches Facebook genial auszunutzen weiß. Sind wir alle süchtig? Sucht, laut Diekmann, ist ein Muss für den Erfolg von spannendem Journalismus! Doch Facebook hat den großen Vorteil, Sucht mit Technologie zu kombinieren. Das ist der größte Paradigmenwechsel!

Wird es Boulevard Zeitungen zukünftig noch geben? Können wir uns dem Wettbewerb stellen? Findet es heraus!

AboutMedia sagt: Großartige Diskussion, die man sich unbedingt anhören muss!

Link zum Podcast findest Du hier.